Das Red Bull IceCross Downhill Tagebuch

von Gregor Luckeneder



„Avez-vous perdu la tête?“
„C'est quand même fou,…“

Diese schönen Sätze hören sich echt gut an. Mit einer schönen Aussprache und dem Nicht-Wissen was es eigentlich bedeutet, könnte man glauben, es handle sich um Motivationssprüche oder auch einer Anfeuerung um schneller zu sein. Leider nein. Erstaunte Blicke der Zuschauer und die Übersetzung eines französischen Fahrers verrieten mir schlussendlich den genauen Wortlaut. „Seid ihr denn wahnsinnig?“ und „Das ist doch verrückt,…!“
Es handelt sich wieder um den von Red-Bull gesponserten Extremsport IceCrossDownhill (ehem. CrashedIce). Kurzgesagt, fahren 4 Athleten einen 4m breiten und 350m langen Eiskanal mit Hockeyschuhen hinunter und versuchen im K.O. System den ersten Platz zu ergattern. Spulen wir aber kurz zurück.
Mit dem Saisonstart 2019/2020 in Judenburg eröffnete die RedBull-IceCross Serie wieder ihre Pforten. Ein spektakuläres Rennen war zu erwarten und meine Wenigkeit, sowie Rangers-Verstärkung Laurids Maresch waren mit dabei. Dezember,…der Auftakt,… Die Vorfreude steigt aufs erste Rennen in Judenburg. Mit ein paar Sponsoren im Gepäck und der richtigen Motivation ging es nach Judenburg. Aber mit plus 5 Grad, wenig Schnee und einer Grippewelle ist es schwierig eine Strecke zu bauen.
Marco & Luca Dallago, Österreichs Schwergewichte in Punkto IceCross Downhill, hatten trotz fehlendem Schnee immer motivierende Worte und einen „Schmäh“ parat. „Ka Problem, wird scho nu koid werdn“ , oder auch „Fia de Schuachrodler hods immer nu passt“ waren die Worte die der Wettergott erhört hat und im Anschluss 20cm Schnee und den Kälteeinbruch schickte. Also startbereit für 2020! Auf 1800m bot sich uns, dank des Schneegestöbers, eine perfekte Strecke. Am nächsten Tag war es dann soweit. Riders ready,…5 Seconds warning,… piieeep,…Voller Fokus und Kraft auf diesen einen Lauf um noch in die Top64 reinzukommen und somit auch eine Runde weiter zu fahren. Nach einem gefühlten „Hermann Mayr Start“ und testen ob das Gate wirklich so viel aushält wie es verspricht, als Zweiter in die erste Kurve eingereiht und hinter Jiri Grus (CZ) ins Ziel gefahren. Geschafft Top 64 zum ersten Mal in meiner Karriere diese magische Zahl geknackt und fürs Finale qualifiziert. Leider nicht ausgegangen ist es sich für Laurids. Trotz einer einwandfreien Performance und dem erschwerenden ersten Mal, sich einer solchen Herausforderung zu stellen, waren die Top 64 dann leider doch nicht in Reichweite. An dieser Stelle „Chapeau“, Laurids.

Gladiatoren gleich, zwischen jeder Menge Zuschauer und deren Frage, ob Sie ein Foto mit uns machen dürfen, beherrschte mich zu diesem Moment ein Ehrgefühl und viel Stolz. Jetzt weiß ich auch wie sich die wahren Superstars fühlen. Eine Erfahrung die mich für die nachfolgenden Rennen antreiben wird. Auch wenn es nur ein „Reinschnuppern“ in die Oberliga ist, will ich mehr davon!
Angekommen am Start und am Weg zu den Gates. Schweiz, Finnland, Finnland, Österreich hieß das Duell. Doch gegen diese Kontrahenten war kein Kraut gewachsen. Allesamt World-Top64 Fahrer und eher unwahrscheinlich sich mit diesen messen zu können. Aber nichtsdestotrotz versuchte ich von Start bis Ziel alles rauszuholen was mein Körper noch an Kraftreserven hergab. Alles oder nichts, doch ein Sturz im „Magic-Corner“ beendete den Traum noch eine Runde weiterzukommen. So belegte ich einen tollen 48. Platz und war überglücklich mit diesem Ergebnis.
Aber jetzt zurück zu den oben genannten Sätzen.
Tatort: Praloup Frankreich, also im Land des Käses und des Weins, fand die nächste große Herausforderung bzw. Rennen statt. Als ich nach einer 12 stündigen Autofahrt mit meinem 2003er Volvo, welcher nebenbei bemerkt keinen Tempomat besitzt, ankam, bot sich mir einer der schönsten Anblicke der französischen Alpen. Traumhafte Aussicht und wunderschönes Wetter ließen mich alle Fahrstrapazen vergessen. Eingecheckt im „Österreicher-Haus“, wurden die ersten Infos bezüglich Strecke eingeholt. Nach einem stärkenden Abendessen mit den IceCross-Freunden ging‘s aber ins Bett. Tag 2 in Frankreich. Besichtigung und Registrierung bzw. Trockentraining standen am Programm. Technisch schwierig und sehr schnell war das Resümee am Abend. Die Steps, Kompressionen, die hängenden Kurven, Rollers und der Step-up waren schon sehr anspruchsvoll. Diese Herausforderungen machten nicht nur mir Kopfzerbrechen. Schlussendlich sind wir doch alle auf dasselbe Ergebnis gekommen. „Geschwindigkeit ist unser Freund“. Man wird durch diese stabiler und kann die jeweiligen Hindernisse besser bewältigen.
Der Berg ruft, aber nicht nur dieser sondern auch vereinzelte Passanten bzw. Zuschauer an der Strecke riefen immer wieder dieselben Sätze. „Avez-vous perdu la tête?“ oder auch „C'est quand même fou,…“ waren sozusagen Standard gewesen. Ich fragte einen französischen Rennkollegen was das bedeuten soll, weil sich mein Wortschatz auf „Baguette, Renault, Peugeot und Bon jour“ beschränkte. Wie schon erwähnt waren es: „Seid ihr denn alle wahnsinnig?“ und „Das ist doch verrückt,…!“. Tja,... da haben Sie wohl recht. Man muss schon eine Schraube locker haben um sich solche Eispisten hinunter zu stürzen. Aber mit der richtigen Ausrüstung und genügen Vorarbeit, sprich Kraft in den Beinen, kann man bei eventuellen Stürzen Verletzungen vorbeugen.

Apropos Kraft,...da die Timetrials, also die Zeitläufe, am Programm standen und man für diese Kraft und Konzentration braucht, war das gesamte Fahrerfeld leicht angespannt und versuchte mit Atemübungen direkt in den Rennmodus zu finden. 3..2..1.. piiiieeep,...los geht’s. Nach den ersten Metern beschleunigt man durch das Gefälle von null auf Tempo 50. Wie mit Scheuklappen, aber auch mit höchster Konzentration wurde der Eiskanal absolviert. Ein kleiner Fehler im entscheidenden Abschnitt beendete meine doch ansehnliche Zeit. Durch einhaken meiner Kufe in einem Loch, segelte ich Kopf voran die französische Mausefalle hinunter und schlug mit ca. 40 km/h in der Bande ein. Ja,... der Schmerz war gleich da! Doch mit Adrenalin vollgepumpt rappelte ich mich auf und fuhr schließlich mit einer Zeit von 37,01sec ins Ziel.
„Liebe Passagiere, bitte bereiten sie sich auf den Aufprall vor!“
Übermut tut selten gut. Ähnlich einem Flughörnchen schlug meine Wenigkeit auch im zweiten Zeitlauf, im eher flachen Streckenabschnitt auf und musste feststellen, dass nicht nur die zweite Zeit dahin war, sondern auch die Luft im Brustkorb. Durchatmen und ab ins Ziel. Die Zeiten waren nicht gut genug um vorne Mitfahren zu können. Platz 73 bei den Zeitfahrten ließen mich doch noch hoffen.
Mit Blutergüssen und einer Muskelzerrung versehen begaben wir uns wieder Richtung Ösi-Chalet. Eis, Schmerztabletten und Schlaf war zu diesem Zeitpunkt das Wichtigste.
Mit nur mehr leichten Schmerzen und einem müden Auge fieberten wir trotzdem dem LCQ entgegen. Also die letzte Chance in die Top 64 reinzufahren. Lettland, Schweiz und Deutschland waren mein Kryptonit. Der Start verlief planmäßig. Gut abgedrückt und als Zweiter nach dem Schweizer Tempo aufgebaut. In der ersten Kurve wurde aber die Linie des Deutschen gut verteidigt, ließ aber den Letten hinter mir. Die Stelle, an der ich die Tage zuvor Probleme hatte, funktionierte super und ich konnte wieder im Windschatten Meter gutmachen. Wäre da nicht der gefinkelte „Step-up“ an dem sich meine Kufen wieder leicht einfädelten. Es war wohl nicht mein Wochenende. Durch diesen kurzen „Strauchler“ war der Windschatten und auch die Hoffnung auf Platz 2 dahin. Platz 3 und im Endresultat schließlich Platz 72 waren angesichts der Stürze und dem verpatzten LCQ-Lauf doch nicht so schlecht. Mit einer kleinen Enttäuschung im Gesicht, blicke ich trotzdem stolz auf die Leistung zurück. Viel Erfahrung gesammelt und mit Vorfreude auf das nächste Rennen blickend, gibt es für mich keinen derartig coolen Sport. Frankreich war sehr anstrengend, aber unglaublich lehrreich. Nächste Station Alpe di Siusi oder auch Seiseralm genannt ist schon im Navi programmiert und wartet auf den Einsatz. Möglicherweise gibt es auch noch eine Wildcard für Moskau. Mehr dazu aber zum Ende der Saison.

Vielen Dank fürs Lesen Beste Grüße Gregor Luckeneder